Verbreitung der Einsamkeit in Deutschland

Ergebnisse im Kompetenznetz Einsamkeit des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 2013 und 2017 legten nahe, dass in den beiden Jahren ungefähr 14 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen zumindest manchmal einsam waren. Während der Corona-Pandemie zeigten verschiedene Studien einen deutlichen Anstieg von Einsamkeitsgefühlen in der Bevölkerung. So gaben im SOEP 2021 rund 42 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen an sich einsam zu fühlen.

Einsamkeit ist bei jungen Erwachsenen und sehr alten Menschen am höchsten. Vor der Corona-Pandemie waren besonders Menschen über 75 Jahren von Einsamkeit betroffen, gefolgt von Menschen zwischen 30 und 45 Jahren, danach folgten Menschen unter 30 Jahren. Während der Corona-Pandemie verschob sich dieses Verhältnis und junge Menschen unter 30 Jahren waren ebenso besonders einsam.

Während der Corona-Pandemie zeigte sich in Bezug auf das Alter eine Umkehr in den Einsamkeitszahlen. Vor allem bei jüngeren Menschen war eine Zunahme der Einsamkeit zu verzeichnen. Von den unter 30-Jährigen fühlten sich 48 Prozent einsam, während es bei den 30- bis 45-Jährigen etwa 46 Prozent waren. Im Gegensatz dazu waren die über 75-Jährigen, die zuvor die höchsten Einsamkeitswerte aufwiesen, mit nur rund 36 Prozent am wenigsten betroffen. Dieser Trend während der Corona-Pandemie lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass das soziale Leben junger Menschen häufig außerhalb des eigenen Haushalts stattfindet und ihre Freundeskreise in der Regel größer sind als bei älteren Menschen.

Gemäß der Studie „Extrem einsam?“ des Progressiven Zentrums e.V. besteht ein potenzieller Zusammenhang zwischen Einsamkeit unter Jugendlichen und ihrer Distanz zu Demokratie. Die Forschung zeigt, dass jugendliche Einsamkeit autoritäre Einstellungen begünstigen kann. Wenn sich Menschen in der Jugend häufig einsam, isoliert und missverstanden fühlen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie Verschwörungserzählungen glauben, politische Gewalt befürworten und autoritären Haltungen zustimmen.

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Uni Bochum erforscht chronische Einsamkeit und soziale Isolation

Seit August 2022 verstärkt der neu ernannte Professor Dirk Scheele die Psychologie an der RUB. Sein Ansatz zur Sozialen Bindungsforschung ist stark experimentell.

Die neurowissenschaftliche Forschungslandschaft an der RUB reicht von der molekularen Ebene bis hin zur kognitiven und klinischen Forschung sowie Neuroinformatik. Seit August 2022 kommt eine weitere Komponente hinzu: Dirk Scheele ist zum Professor für Social Neuroscience an der Fakultät für Psychologie ernannt worden. Sein Schwerpunkt ist die Soziale Bindungsforschung. Dabei ergründet er insbesondere das Phänomen der chronischen Einsamkeit und sozialen Isolation mit experimentellen, neurobiologischen Methoden.

Von der Pandemie verstärkt

„Mich interessieren neurobiologische Mechanismen von kognitiven und sensorischen Veränderungen bei Menschen, die in sozialer Isolation und Einsamkeit leben. Das hat durch Corona natürlich noch einmal deutlich an Fahrt aufgenommen“, erläutert Scheele. In Ergänzung zu sozialpsychologischen Ansätzen der Einsamkeitsforschung bringt Scheele den Aspekt der Hormonforschung mit ein – und deckt somit ein hochaktuelles Thema aus einer anderen Perspektive ab. „Zusammen mit der Forschung meiner Kollegin Maike Luhmann ist das eine ganz wunderbare Synergie, die sich da ergeben hat. Daher freut es mich so sehr, dass ich hier in Bochum die Professur bekommen habe“, so Scheele. Aus seiner Sicht ergänzen seine Studien hervorragend die Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Maike Luhmann (Psychologische Methodenlehre) und weiteren Kolleginnen und Kollegen der Fakultät für Psychologie.

Von Einsamkeit zu schweren Erkrankungen

Eine der wesentlichen Ursachen für Einsamkeit können traumatische Erfahrungen sein. „Es gibt sicherlich einen Zusammenhang zwischen frühkindlicher Traumatisierung und sozialen Schwierigkeiten im Erwachsenenalter. Entsteht daraus chronische Einsamkeit, kann dies den Weg ebnen für schwere Erkrankungen, etwa Alzheimerdemenz, Depression oder Angststörungen. Mir liegt es fern, das zu pathologisieren“, sagt Scheele. „Es gibt auch gute Gründe dafür, warum jemand in Einsamkeit lebt. Mein Augenmerk liegt darauf, wie man es auf neurobiologischer Ebene erklären kann, dass ein solches Konstrukt wie soziale Einsamkeit unter Umständen krankmachen kann.“

Vom Sehen und Hören zu Berührung und Geruch

In der Forschung arbeitet Scheele überwiegend mit gesunden Probandinnen und Probanden. Zu den Methoden, die er anwendet, zählen Hormonstudien (Messung und Applikation von Hormonen), Hirnstimulation (beispielsweise durch Gleichstrom zur Modulation der Aktivitäten von Gehirnarealen) und bildgebende Verfahren (funktionelle Magnetresonanztomographie, fMRT). „In der Forschung liegt häufig ein Fokus auf visuellen oder auditiven Reizen, in meiner Arbeit spielen aber auch taktile und olfaktorische Reize eine große Rolle“, erläutert Scheele. Also neben dem Sehen und Hören bestimmter Reize auch die Berührung und der Geruch.

Von Gendereffekten und Kuschelhormonen

Für die Hormonforschung sei es darüber hinaus interessant, sich besondere Geschlechter- oder Gendereffekte genauer anzuschauen, so Scheele. So habe eine frühere Studie beispielsweise gezeigt, dass sich die neurobiologischen Effekte chronischer Einsamkeit zwischen Männern und Frauen durchaus unterscheiden können. Möglicherweise kommt das von bestimmten Hormonen, unter anderem von Oxytocin, das Scheele bereits länger erforscht. Über das vermeintliche und im Volksmund sogenannte Kuschelhormon hat er bereits seine Doktorarbeit geschrieben (siehe Infobox „Zur Person“ auf der Webseite der Ruhr-Uni-Bochum). Gendereffekte untersucht Dirk Scheele mit nationalen und internationalen Kooperationspartnern, beispielsweise an der Universität Haifa in Israel.

Vom negativen zum positiven Paradigma

An der RUB startet in seinem Arbeitsbereich in Kürze ein neues Projekt, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert. Ziel ist es, ein positives Interaktionsparadigma zu entwickeln. Scheele erklärt: „In der Psychologie gibt es viele bedeutsame Experimente um die negativen Effekte von akutem Stress zu untersuchen. Ich möchte hingegen ein neues Paradigma implementieren, um die Auswirkungen von positiven sozialen Interaktionenzu erforschen. Spätestens Anfang 2023 sollen die Arbeiten in diesem Projekt beginnen.“

Hier zum Artikel: https://news.rub.de/leute/2022-09-02-psychologie-dirk-scheele-erforscht-chronische-einsamkeit-und-soziale-isolation